Manchmal gibt es zu Neujahr Geschenke. In unserem Fall reden wir über den 01. Januar 2020 und die Fahrerschulung B196. Wir hatten das Thema bereits im Hartig-Blog Juli 2019 unter dem Titel Geschäftsmodell "Franzi" angekündigt. Nun ist es da. Nachfolgend stellen wir die für Fahrschulen relevanten Informationen zusammen und geben Gedanken zur Umsetztung.
Wenn Sie sich als Fahrleher/-in bzw. Fahrschulunternehmer/-in wirklich ernsthaft mit B196 beschäftigen wollen, dann tun Sie sich bitte einen Gefallen und lesen zuerst (noch einmal) den Hartig-Blog Juli 2019. Wenn Sie danach immer noch der Meinung sind, B196 sei Blödsinn, lesen Sie hier bitte nicht weiter. Andernfalls finden Sie nachfolgend Infos, Inspiration und konkrete Umsetzungsideen sowie Unterlagen für Ihr Marketing.
Wo finde ich die Rechtsgrundlage für B196?
In der 14. Verordnung zur Änderung der FeV welche im Bundesgesetzblatt Nr. 52 am 30. Dezember 2019 veröffentlicht wurde und damit am 31.12.2019 in Kraft getreten ist. Die Rechtsgrundlage ist der neu geschaffene § 6b der FeV sowie die zugehörige Anlage 7b FeV. Wir haben Ihnen beide Dokumente hier verlinkt. Die Verordnung ist in Kraft, damit darf ab sofort mit der Fahrerschulung B196 begonnen werden.
Wer darf die Fahrerschulung durchführen?
Fahrschulen mit Fahrschulerlaubnis der Klasse A durch Fahrlehrer mit Fahrlehrerlaubnis Klasse A.
Welchen Gesamtumfang hat die Fahrerschulung B196?
Die Anlage 7b FeV regelt 9 Unterrichtseinheiten à 90 Minuten. Sie teilen sich auf in 4 x 90 Minuten Theorie und 5 x 90 Minuten Praxis. Interessant an dieser Stelle ist die Zeiteinheit "90" Minuten. Regelungen aus dem FahrlG beziehen sich immer auf 45 Minuten. In der BKF-Quali spricht man von "60" Minuten. Hier nun von "90".
Welche Inhalte hat der Theorieteil?
Es sind die Inhalte der Anlage 2.1 FahrschAusbO und damit exakt der klassenspezifische Zusatzstoff für die Klassen A, A2, A1.
Können B196 Teilnehmer und Klasse A Schüler gemeinsam den Theorieunterricht besuchen?
Ja. Aber es macht keinen Sinn und wir raten Ihnen ausdrücklich davon ab! B196 Teilnehmer sind keine Fahrschüler sondern ein eigener Kundenkreis. Bilden Sie die Fahrerschulung B196 in eigenen Kursen ab. Lesen Sie hierzu bitte den Beitrag "Geschäftsmodell Franzi".
Welche Inhalte hat die Praxis?
Das regelt die Anlage 3 Nummer 17.2 sowie die Anlage 4 Nummer 1 und 2 der FahrschAusbO. Konkret sind das die Grundfahraufgaben sowie die Überland- und Autobahnfahrten. Die praktische Schulung darf (leider) ausdrücklich nicht in Gruppen durchgeführt werden.
Wie ist der Zeitumfang für Überland- und Autobahnfahrten?
Diese Entscheidung obliegt dem Fahrlehrer. Es muss ein Teil der 5 praktischen Einheiten à 90 Minuten auf Überland- und Autobahnstrecken stattfinden. Es gibt aber keine Vorschrift zur zeitlichen Gewichtung.
Muss der Teilnehmer einen Antrag stellen?
Nein. Mit dem Nachweis der Fahrerschulung nach Anlage 7b FeV kann er bei der zuständigen Behörde die Schlüsselzahl 196 eintragen lassen. Er benötigt auch keinen Sehtest oder Erste Hilfe Kurs.
Erhält der Teilnehmer die Fahrerlaubisklasse A1?
Nein. Er erweitert lediglich die Klasse B um Krafträder (auch mit Beiwagen) mit einem Hubraum von bis zu 125 cm3, einer Motorleistung von nicht mehr als 11 kW, bei denen das Verhältnis der Leistung zum Gewicht 0,1 kW/kg nicht übersteigt. Die Schlüsselzahl berechtigt nicht zum Führen symetrischer Dreiräder. Die Erweiterung Klasse B196 berechtigt ihn auch nicht für die Aufstiegsregelungen Klasse A2.
Welches Schulungsfahrzeug wird empfohlen?
Das Schulungsfahrzeug ist ein Kraftrad nach Anlage 7 Nummer 2.2.3, also
Krafträder der Klasse A1 ohne Beiwagen
a) Motorleistung bis zu 11 kW,
b) Verhältnis von Leistung zu Leermasse von nicht mehr als 0,1 kW/kg,
c) durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mindestens 90 km/h,
d) mit Verbrennungsmotor Hubraum mindestens 120 cm3, wobei eine Unterschreitung des Hubraums um 5 cm3 zulässig ist,
e) mit Elektromotor Verhältnis Leistung/Leermasse mindestens 0,08 kW/kg.
Auf Grund des Kundenkreises empfehlen wir ausdrücklich nicht Motorräder mit Schaltgetriebe. Aus unserer Sicht eignen sich ganz besonders Automatik-Roller, gerne auch elektrisch. Das werden die späteren Fahrzeuge der Kundengruppe sein. Führungsfunk ist obligatorisch.
Eine Übersicht der zurzeit am Markt erhältlichen Elektroroller die die Kriterien erfüllen, erhält Ihr hier.
Wie alt ist der Kunde B196?
Das lässt sich klar eingrenzen:
Er hat ein vorgeschriebenes Mindestalter von 25 Jahren.
Das Höchstalter ergibt sich aus der Sonderregelung 1. April 1980. Wer die Klasse B vor diesem Datum erteilt bekommen hat, ist automatisch berechtigt zum Führen von Fahrzeugen der Klasse A1. Das ist Jahrgang 1962 und älter.
Der Kundenkreis bewegt sich 2020 also zwischen 25 und 58 Jahren und wird mit jedem weiteren Kalenderjahr ein Jahr älter.
Wie tickt der Kunde B196?
Das ist die entscheidende Frage! Und wir empfehlen Ihnen hier nochmals den Artikel "Geschäftsmodell Franzi". Das sind seine/ihre Verhaltenspräferenzen:
- Er ist zwischen 25 und 68 Jahre alt.
- Er ist definitiv kein Motorradfahrer, sonst würde er die Klasse A2/A machen.
- Er ist der Fahrschule längst entwachsen, verfügt über Fahrerfahrung und möchte eigentich gar nicht in die Fahrschule.
- Auf Grund seines Alters ist er sicherheitsorientiert.
- Er hat keine Lust auf Theorie- und Praxisprüfungen. Als Fahrerfahrener möchte er nicht mehr Vortanzen.
- Er ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine "SIE"! Und damit liegt die Motivation weniger in fahrdynamischen Aspekten sondern im Lifestyle "Sommer, Sonne, Sonnenschein".
Wie bediene ich den Kunden B196?
Außerhalb der Fahrschule. Wir meinen das nicht rechtlich sondern emotional. Ein 45 jähriger Autofahrer möchte einfach nicht mehr in die Fahrschule. Und das ist auch zu verstehen. Daraus ergibt sich zwangsweise ein eigenes Kurssystem. Es wäre ein Fehler, diesen Kundenkreis in der Theorie zu den normalen Schülern zu setzen. Der klassenspezifische A-Unterricht mag vom Alter zwar identisch sein, aber nicht von den emotionalen Inhalten. Denken Sie über "Mental-Replay" nach, also Rollerfahren im Kopf.
In der Praxis benötigt dieser Kunde ein eigenes Ausbildungskonzept. Kundenorientierte Fahrschulen stimmen Ihre Ausbildungsinhalte auf die zu erwartenden Stolpersteine im späteren Rollerfahrbetrieb ab. Denken Sie nach, in welche gefährlichen Alltagssituationen ein Rollerfahrer später kommen mag. Definieren Sie Sicherheitsübungen statt Grundfahraufgaben. Bieten Sie ein Tarifkonzept an, in dem auch auf kundeneigenen Fahrzeugen ausgebildet werden kann. Fokussieren Sie Automatik-Roller. Und halten Sie sich etwas zurück in Sachen Dachschild, Nierengürtel und Prüfungsrethorik.
Wo finde ich diesen Kundenkreis?
Warten Sie nicht darauf, dass er bei Ihnen in der Fahrschule vorbeikommt. Überlegen Sie, wo sich diese Altersgruppe aufhält und wie der Altag aussieht. Kontaktieren Sie Ihren örtlichen Rollerhändler. Seien Sie an den Frühjahrs-Motoradmessen präsent. Denken Sie in Gruppen-Geschäftsmodellen, die potenzielle Kunden veranlasst, selbst eine Gruppe zusammenzustellen. Sorgen Sie für Werbematerial. Ein Poster in der KITA, der Flyer am Bahnhofsfahrradständer, eine Vorstellung auf YouTube, der Tupper-Abend ... seien Sie erfinderisch!
Wir haben Ihnen übrigens ein paar Vorschläge für Werbematerial zusammengestellt. Sie dürfen sich hier gerne bedienen, wir stellen Ihnen gerne auch kostenfrei die Druckdaten zur Verfügung.
Interessiert? Dann einfach eine Mail an Raphaela unter fahrschullogo@fortbildung33.de